Wolfertschwenden
vor dem Einmarsch der Amerikaner |
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Unser
Dorf hatte durch unmittelbare Schädigungen während des
Krieges bis kurz vor der Einnahme durch die Amerikaner nicht zu
leiden. Zu Anfang des Krieges beschoß ein französisches
Flugzeug, von Memmingen kommend in Richtung Kempten flie- gend,
einige Ziele an der Bahnlinie, ohne Schaden anzurichten. Der
Luftschutz trat auch sofort in Tätigkeit. Die Luftschutzwarte
mußten jede Nacht ihren zugewiesenen Block abgehen und die
Ver-dunkelung überwachen. Es wurden manche Verdunkelungssünder
festgestellt, aber keiner zur Anzeige gebracht.
Erst
zu Ende des Krieges wurden wir von feind-lichen Bombengeschwadern überflogen.
Es gab manchen Tag und mehrmals bei Nacht Alarm, so daß man
kaum die Arbeit auf den Feldern bewerkstelligen konnte. Eine
Zeitlang wurden wir regelmäßig nach Eintritt der
Dunkelheit von einem Jagdbomber überflogen. Einige Male machte
er einen Angriff und beschoß in geringer Höhe über
dem Dorfe fliegend, die Landstraße nordwestlich der Ortschaft
bis zum Bahnwärterposten 11. Dabei wurden die dort liegenden
Grundstücke durch die Explosionen der kleinen Bordgranaten
ziemlich stark beschädigt. Auch manche Hausdächer,
darunter auch das Kirchturmdach, erhielten Einschüsse. Der
Flieger, ein Neger, wurde dann durch Flak des Fliegerhorstes
Memmingen abgeschossen.
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Als
die Amerikaner näher herkamen, wurde bei uns eine
Lastautokolonne, von Esslingen kommend, als Sondereinsatz
stationiert. Dieselben mußten mit ihren LKWs die Lager und
Fabriken, welche von der feindlichen Invasion stark bedroht waren, räumen
und die dort lagernden Sachen zurückschaffen. Zu dieser Zeit
wurde die feindliche Fliegertätigkeit auch immer unerträglicher.
Amerikanische Jagdbomber flogen da und dort Angriffe und schossen
mit ihren Bordwaffen.
In
starke Aufregung versetzte uns die Bombardierung von Memmingen und
Kempten. Hatten doch die meisten Einwohner nähere Verwandte,
Angehörige und gute Bekannte in den genannten Städten, über
deren Schicksal man im Ungewissen war. Auch das, durch die
Bombardierung brennende Ulm konnte man sehen. An der Glasveranda von
Haus Nr. 72 spiegelte sich der Feuerschein.
Mit
dem weiteren Anrücken der Amerikaner rückte auch die
vorerwähnte Autokolonne wieder ab und zwar, wie man später
erfuhr, nach Vorarlberg, wo sie dann in die Hände der
Amerikaner geriet. Inzwischen wurde der Volkssturm eingesetzt, um
den Verkehr auf der durch das Dorf führenden Reichsstraße
zu regeln.
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An
manchen Tagen wurden sämtliche Motorradfahrer aufgehalten und
durch die Landpolizei kontrolliert. Die Zivilpersonen wurden
angewiesen, rechts der Straße zu gehen, damit die Truppen,
wenn man noch von geschlossenen Transporten reden konnte, nicht gestört
wurden. Eine Abteilung Feldgendarmerie nahm hier auch Quartier und
kontrollierte einzeln marschierende Soldaten, um Deserteure
herauszufinden.
Die
letzten Tage, als die Amerikaner bei Biberach waren, kamen Gebirgsjäger
zu kurzem Aufenthalt hier an. Während dieser Zeit ereignete
sich etwas, was auch festgehalten zu werden verdient. Zwei Mädel,
welche vorher in Illertissen als NSV Haushaltshilfen waren, eine war
von hier und die andere, die Heimleiterin auf der Station in
Illertissen war, war von Weitnau im Oberallgäu, begaben sich
mit einem LKW der Sonthofer Gebirgsjäger nach Illertissen, um
Verschiedenes aus ihrem Heim zu retten. Sie mußten aber wegen
der Nähe des Feindes mit wenigen Sachen, welche sie in einem
Zwillingskinderwagen, welcher nur drei Räder hatte,
transportierten, den Rückmarsch zu Fuß antreten. Glücklicherweise
konnten sie sich einer Abteilung Infanterie anschließen, und
so erreichten sie auf Nebenwegen und teilweise unter Fliegerbeschuß
die Heimat wieder.
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Beim
Einmarsch in Niederdorf wurde die ganze Kolonne noch durch H.
Pfarrer Hurler von dort gefilmt. Eine zweite Fahrt, welche die
gleichen Mädel wieder mit bekannten Sonthofer Jägern nach
Illertissen machten, um Mehl zu holen, verlief nicht so glatt. Sie
kamen nur bis Kellmünz, welches damals schon unter
Artilleriebeschuß lag. Dort wurde ihnen von anderen Truppen
der Wagen beschlagnahmt. Es gelang ihnen aber wieder, denselben
heimlich wegzunehmen und heimzufahren. Diese Fahrten wurden alle bei
Nacht gemacht.
Inzwischen
rückten die Panzerformationen der Amerikaner immer näher
heran. Wir bekamen wieder Truppen, um das Dorf zu verteidigen, was
bei den Einwohnern einen heftigen Schrecken verursachte. Glücklicherweise
zogen sie aber wieder ab. Inzwischen mußte der Volkssturm eine
Panzersperre an der Straße nach Böhen, kurz oberhalb der
ersten starken Kurve, bauen. Zuerst war ein Platz für die
Sperre im oberen Dorf, zwischen dem Bauern Anton Grimm und dem
Kaufhaus Mayer vorgesehen. Davon wurde aber glücklicherweise
wieder Abstand genommen und dieselbe an den vorerwähnten Platz
gebaut. Natürlich vollständig umsonst. Nach der Einnahme
der Amerikaner mußte sie wieder abgebrochen werden.
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Die
letzte Nacht vor Einmarsch der Amerikaner kamen wieder Truppen, mit
Panzerfäusten bewaffnet, und besetzten die am nördlichen
Ausgang des Dorfes befindliche Kiesgrube. Die Führung sah aber
die Zwecklosigkeit der Verteidigung des Dorfes ein, und diese
Truppen rückten auch wieder ab. Und so blieb das Dorf vor
schlimmen Kriegsschäden verschont.
Am nächsten Tag, den 27. April
1945, ungefähr vormittags um 9:30 Uhr, kamen die Panzerspitzen
vor dem Dorfe an. Viele Einwohner flüchteten nach dem
sogenannten Dodel Keller, auf die Höhe nach Pfaudlins und an
andere Orte. Die meisten aber blieben im Dorfe. Die geflüchteten
schwebten in starker Lebensgefahr, weil sie unter dem Feuer der
Artillerie, welche von den Höhen bei Böhen auf die Panzer
schoß, wieder heim mußten. Das Dorf selber erlitt keinen
Schaden, mit Ausnahme der Heuhütte des Zimmermanns und Friseurs
Georg Prestel, welche durch Artillerie in Brand geschossen wurde.
Zum Unglück hatte er dort sein Geld, Wertsachen, die besseren
Kleider und verschiedenes anderes verborgen, um es vor Dieben zu schützen.
Es wurde alles restlos ein Raub der Flammen. Auch die Wiesen und
Felder nördlich der Ortschaft wurden durch Granateinschläge
beschädigt.
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Der
Beschuß dauerte nicht so lange, es kamen immer mehr und mehr
Panzer und kämpften die einzelnen deutschen
Artilleriestellungen nieder. Leider gab es unter den Deutschen
einige Tote und Verwundete. Zwei von diesen Toten wurden hier
begraben. Die hier wohnenden französischen Gefangenen und die
zivilgefangenen Polen und Russen wurden natürlich gleich
freigelassen. Die Franzosen wurden zur Aufrechterhaltung der Ordnung
und zum Sammeln der Gefangenen und Verwundeten eingesetzt. Die
Verwundeten brachten sie in ihr Lager, im Haus Nr. 52 bei Bumann, wo
sie denselben ihre Wunden verbanden und ihnen alle Pflege angedeihen
ließen. Überhaupt behandelten sie die gefangenen
Deutschen, ob verletzt oder unverletzt, sehr gut. Auch für das
Dorf selber setzten sie sich gegenüber dem amerikanischen
Kommandanten in solcher Weise ein, daß es nie im geringsten
durch eine Razzia oder sonstige außerordentliche Strafmaßnahmen
zu leiden hatte. Das möge ihnen immer gedankt sein!
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Einer
Episode, welcher der Heiterkeit nicht entbehrt, muß noch
gedacht werden. Als die Panzer durch das Dorf rollten, kam von dem
Feldweg westlich der Ortschaft, bei Bücheles Haus Nr. 25, der
80-jährige ehemalige Landwirt Josef Hiemer mit einem
Ochsenfuhrwerk und überquerte ganz gemütlich die Straße.
Darauf hielten sämtliche Panzer und warteten geduldig, bis das
Fuhrwerk, es waren noch lange Stangen darauf geladen, über der
Straße war. Erst dann setzten sie ihren Marsch fort. Man sagt
jetzt bei uns "Was die ganze deutsche Armee nicht fertig
brachte, das hat der alte Hiemer fertiggebracht. Er allein hatte die
amerikanischen Panzer aufgehalten."
Die
amerikanischen Soldaten lagerten dann hier mehrere Stunden. Es mußten
dann mehrere Häuser ganz oder teilweise geräumt werden, um
die Befehlsstellen der Truppen unterzubringen. So in der
Gastwirtschaft zur Krone (Dodel) Haus Nr. 31, Dodel Anna Nr. 72, Weißenhorn
Nr. 3 (Oberer Bauer), im Pfarrhof und bei Hiemer Johann, Nr. 26. Im
letztgenannten Haus war auch die Sammelstelle für die
Gefangenen, welche dann am Abend in das Gefangenenlager nach Ulm
abtransportiert wurden. Mit ihnen wurde auch unser damaliger Bürgermeister
und Ortsgruppenleiter der NSDAP, Georg Sinner, in Gefangenschaft
abgeführt, in welcher er über zwei Jahre schmachtete.
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Die
hier parkenden Panzer rückten dann wieder ab und es kamen immer
wieder andere. Durch unser Dorf führte die Reichsstraße
Nr. 19. Dadurch hatten wir den ganzen starken Verkehr mit dem
Nachschub. Täglich rollten Panzer, Munitions- und andere
Kolonnen die Straße entlang nach Süden. Die ersten Tage
gab es noch Schießereien in der Umgebung, obwohl die
Amerikaner keinen besonderen Widerstand mehr fanden. Sämtliche
Waffen mußten ja am ersten Tage schon abgeliefert werden. Die
meisten wurden dann von den Amerikanern verbrannt.
Es
wurden auch gleich die Kriegsgesetze und die Zivilverwaltungsgesetze
an dem Haus des Boten Neidhardt angeschlagen. Es durfte nach Abends
6:30 Uhr kein Einwohner, mit Ausnahme die, den Polizeidienst
versehenden Franzosen, auf der Straße sein. Darüber führten
die Amerikaner eine strenge Kontrolle durch. Als Bürgermeister
wurde der Altbauer, Herr Georg Epple, eingesetzt. Leider waren bei
den Kämpfen um unsere Ortschaft auch zwei deutsche Soldaten
gefallen. Einen, den Leutnant Otto Nützel, traf die Todeskugel
auf der Höhe bei Brandholz und ein Obergefreiter, Franz Kühnle,
wurde bei Darast schwer verwundet und starb auf dem Transport in
unseren Ort. Beide wurden auf dem hiesigen Friedhof begraben.
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Der
Leutnant wurde später wieder ausgegraben und in seine Heimat Nürnberg
überführt. Der Obergefreite stammte aus Mittelfischbach,
Kreis Schwäbisch Hall und war verheiratet. Es war mir später
möglich, die Witwe durch eine Esslinger Frau, welche sich hier
längere Zeit aufhielt, von dem Tode ihres Mannes zu verständigen.
Die Postverbindung war ja noch lange Zeit vollständig
unterbunden. Später kamen zwei Brüder der Witwe und
suchten seine letzte Ruhestätte auf.
Jeden
Tag wurden deutsche Soldaten als Gefangene auf amerikanischen LKW
durch unseren Ort in das Gefangenenlager nach Ulm transportiert. In
diesem überfüllten Lager mußten sie bis zu ihrer
Entlassung arg hungern. Nach einigen Wochen wurden sämtliche männliche
Einwohner von 18 bis 60 Jahren registriert. In der Frühe vor 6
Uhr wurde das Dorf von amerikanischen Soldaten umstellt und keiner
in dem angegebenen Alter aus dem Dorf gelassen. Es mußten sich
dann alle in dem Schulhaus einfinden, wo sie dann ihre Militärpapiere
vorzeigen mußten. Bei welchem die Papiere in Ordnung befunden
wurden, oder welche gültige deutsche Entlassungspapiere
vorzeigen konnten, die mußten sich im Saale der Wirtschaft
Dodel sammeln, wo sie dann solange festgehalten wurden, bis alles
vorbei war, dann konnten sie wieder heimgehen.
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Die
anderen, welche keine Papiere hatten, oder von der Wehrmacht noch
nicht entlassen waren, wurden von den Amerikanern nach Ottobeuren
mitgenommen, von wo sie dann in das Entlassungslager nach
Biessenhofen bei Kaufbeuren transportiert wurden, wo sie dann gültige
Entlassungspapiere bekamen. Es waren auch viele ehemalige Soldaten,
welche aus Württemberg oder der Lindauer Gegend stammten und
wegen der französischen Besetzung dort, welche viele von diesen
Soldaten in die Gefangenschaft abführten, vorerst nicht heim
konnten, bei Bauern hier beschäftigt. Arbeit gab es genug.
Zuerst im Walde. Es mußte Holz geschlagen werden für die
Amerikaner, für uns selber und für die Stadt Kempten. Dann
bei der Heuernte. Nach und nach wurde das Ausgehverbot während
der Nachtstunden auch gelockert. Zuerst wurde Erlaubnis bis nachts
8:30 Uhr und dann bis 10:30 gegeben, und mit der Zeit wurde es ganz
aufgehoben.
Mittlerweile
kamen dann auch Evakuierte, welche vor den anrückenden Russen
flüchten mußten, aus Ostpreußen und Berlin und mußten
hier und in anderen Orten aufgenommen werden. Nach diesen kamen die
vertriebenen Deutschen aus den Sudeten und der übrigen CSSR bei
uns an. Für alle mußten Wohnungen bereitgestellt werden,
welches nicht immer gütlich herging.
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Für
den Wohnungsausschuß, an der Spitze immer der jeweilige Bürgermeister,
war das keine Kleinigkeit. Diese Unglücklichen, Vertriebenen,
durften nur ganz wenig Hausrat und Kleidungsstücke mitnehmen
und mußten wenige Stunden nach Bekanntmachung ihrer Ausweisung
in Begleitung von tschechischer Polizei abreisen. Es waren Familien
dabei, welche kaum mehr als einige Handkoffer hatten, in welchen sie
ihr Hab und Gut verstaut hatten. Manche von diesen bekamen gleich
Arbeit. Die meisten mußten aber von der Fürsorge unterstützt
werden. In unserem kleinen Ort sind zur Zeit nahezu 300 Flüchtlinge.
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